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Am Wall

Am Wall Nr. 101 - Spätsommerliche Reise zu ausgewählten Befestigungsanlagen der Ile de Ré

Spätsommerliche Reise zu ausgewählten Befestigungsanlagen der Ile de Ré

Text und Bilder: Heinz Schramm

Dass die französische Küstenregion Charente-Maritime mit den Hauptorten La Rochelle und Rochefort sowie die vorgelagerten Inseln Ile de Ré, Ile d´Aix und Ile d´Oléron über eine Vielzahl gut erhaltener Befestigungsanlagen verschiedenster Bauperioden verfügt, darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Schon in seinem Beitrag „Ein kleiner Streifzug zu Befestigungsanlagen in der Charente-Maritime“ [1] beschreibt M. Oehlrich anschaulich nahezu alle größeren Anlagen, die im Zeitraum zwischen dem XVI.-und XX. Jahrhundert errichtet wurden. Mit der Planung und Ausführung waren so renommierte Festungsbauer wie Ferry, Blondel, Vauban und Montalembert - aber auch eher unbekannte französische Armee-Ingenieure des XIX. Jahrhunderts und Planer der Organisation Todt betraut. Zu den wenigen Orten die damals wegen privater oder sonstiger Nutzung nicht zugänglich waren gehörte das Fort de la Prée auf der Ile de Ré. Auch meine erste Er-kundung - vor 15 Jahren - scheiterte am verschlossenen Tor des Forts. Grund genug dieses außergewöhnliche Befestigungswerk - das seit einiger Zeit Besuchern offensteht - einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

 Saint-Martin-de-Ré - Porte Toiras Erste neuzeitliche Befestigungen auf der Ile de Ré wurden Anfang des XVI. Jahrhunderts als Folge des Religionskrieges zwischen Katholiken und Hugenotten errichtet. Nach Beendigung der protestantischen Okkupation der Insel ordnete Louis XIII. den Bau von Fortifikationen an. Festungsingenieure unter der Leitung des Marquis de Toiras - dem späteren Gouverneur der Insel -planten und überwachten die 1625 beginnenden Arbeiten an einer einfachen quadratischen Zitadelle mit vier Bastionen bei Saint-Martin-de-Ré und dem Fort de La Prée - weiter östlich - bei La Flotte. Bei der Gestaltung des vierstrahligen Kernwerks des Forts hatten die Ingenieure d´Argencour und Le Camus eine außergewöhnliche Grundform ge-wählt: Anstelle gradliniger Kurtinen zwischen den Bastionen findet man hier ein halbkreisförmig nach innen gebogenes Wallprofil vor (Französische Bezeichnung: „cul de chaudron“). Alle anderen Bauten wurden im damals üblichen Standard ausgeführt: Ravelin vor dem Tor, Glacis, gedeckter Weg, und ein nasser Graben dessen Wasserstand durch eine Schleuse am kleinen Hafenbecken vor dem Fort geregelt wurde. Den seeseitigen Abschluss bildet eine massive Mauerwerksfront, die von einem mittig vorspringenden Redan bestrichen werden konnte. Die Einfahrt in das daneben angelegte Hafenbecken ist durch einen weiteren Redan geschützt. Die Kasernen im Fort und hinter dem Mauerwerk der Seefront waren für eine Besatzung von bis zu vierhundert Mann ausgelegt. Schon bald nach der Fertigstellung wurden kritische Stimmen laut: Bemängelt wurden vor allem das Fehlen eines Brunnens für die Frischwasserversorgung, die zu geringe Besatzungsstärke sowie die geringe Größe des Forts. Die daraufhin ab 1664 angelegte Enceinte wurde ab 1672 durch eine Enveloppe aus vier Ravelins und vier Contregarden verstärkt. Als Vauban mit der Reorganisation der Anlagen auf der Ile de Ré betraut wurde, galt dessen Aufmerksamkeit vor allem der Errichtung der umfänglichen Befestigungen von Saint-Martin-de-Ré: Das Fort de la Prée verlor an Bedeutung. 1684 ordnete Vauban die Schleifung der neuen Enceinten an. Die kleine Festung erhielt wieder die Grundform, die auch heute noch Bestand hat. Nach fast zweihundert Jahren, in denen sich Leerstand und Nutzung abwechselten, fanden nach 1875 Anpassungen bezüglich der Entwicklung der Artillerietechnik statt: Auf den seeseitigen Bastionen wurden Hohltraversen errichtet. Die Frage, ob auch - seinerzeit modernes - Artilleriematerial zur Aufstellung kam, bleibt unbeantwortet. Allerdings ist auf beiden Bastionen je ein Schienenkreis erhalten der durch seine Verstrebungen wie ein großes Speichenrad anmutet. Auf derartigen, im Erdreich oder auf Granit-und Betonfundamenten verankerten Konstruktionen konnten die Gleitlafetten schwerer Küstengeschütze bewegt werden um die Seitenrichtung zu nehmen.

Fort de la Prée

Die Aufgabe des Forts durch die französische Armee erfolgte 1934. Die letztmalige militärische Nutzung begann 1942 während der deutschen Besatzung: Das Werk wurde - unter der Bezeichnung Wn RO 405 Bertha - Teil der Küstenbefestigungen des Atlantikwalls. Die daraus resultierenden baulichen Maßnahmen zogen erfreulicherweise keine nachhaltigen Eingriffe in die historische Bausubstanz des Forts nach sich. Die achteckige Bettung für ein nicht näher bezeichnetes 7,5 cm-Geschütz auf der Traverse der östlichen Bastion und die Betonplattform für die Aufstellung eines 2 cm-Flak-Vierlings auf der Westbastion wurden - ebenso wie einige MG-Stellungen auf dem Terreplein und ein Pak-Bunker mit Schussrichtung Küstenstraße - nach Kriegsende wieder zurückgebaut. Erhalten ist lediglich ein kleiner Wehrmachts-Funkraum. Nach zeitweiliger Nutzung als Ferienanlage für Kinder ging das Bauwerk 1980 in den Besitz des „Nationalen Komitee des Sozialwerks der Gefängnisverwaltung“ über. Die daraufhin sieben Jahre lang - unter Mithilfe von Häftlingen des Zuchthauses von Saint-Martin-de-Ré - aufwendig restaurierte Anlage wurde im Mai 2008 in die Liste der historischen Monumente Frankreichs aufgenommen und ist seit einigen Jahren im Sommer für Besucher geöffnet.

Ein nachmittäglicher Rundgang

Die freundliche Mitarbeiterin im Kassen-Container, gleich hinter der Umzäunung, überreichte mit dem Billet auch ein laminiertes Din A4-Blatt mit Informationen zum Fort. Darauf werden weniger kundigen Besuchern die Gebäude und deren Funktion beschrieben, die während des vorgeschlagenen Rundgangs zugänglich sind. - Mein erster Anlaufpunkt war der Schleusenschieber auf dem Damm zwischen Hafenbecken und Festungsgraben. Kurz vor Mee-reshöchststand sprudelte beständig Wasser durch die verschließbare Röhre in den Graben. Dennoch war der Zufluss zu gering den Graben um die Festungsmauern komplett zu fluten. Der Abschnitt vor der Seefront wurde allenfalls leicht benetzt. Die schnörkellose Strenge des Mauerwerks der Bastionen wird nur im Zugangsbereich durch die Architektur des Torportals gemildert.

 

Der Zugang zum FortDurch die Torpoterne betritt man den an drei Seiten mit Kasernen- und Wohngebäuden aus unterschiedlichen Bauepochen bebauten Hof. Die eher schlichten Gebäude stehen bis auf eine kleine Ausstellung und einen Kiosk größtenteils leer. Außer den verschlossenen Remisen in den Wällen sind noch ein Pulvermagazin im Baukörper einer Bastion und die Wohnkasematten im Torbau zugänglich. Das über Erdrampen zu besteigende Terreplein der Bastionen bietet Besuchern wegen des erhöhten Standorts einen umfassenden Überblick auf die Gebäude und Wälle des Forts, die umgebende Landschaft und das Meer.

Die Gebäude im HofHier oben, wo zwischen den Endpunkten der Bastionen die Bekleidungsmauern einen Halbbogen nach innen beschreiben, wird auch gleich der Schwachpunkt dieser Bauform deutlich:

Ungünstig für die Verteidigung - nur zwei Scharten pro FrontDa das Fort über keinerlei Kasematten oder Hohlräume für die Nahverteidigung verfügt, ermöglichen jeweils nur zwei (!) senkrechte Scharten im Mauerwerk der Halbbögen die geschützte Bestreichung der Bastionsfronten mit Handfeuerwaffen

Einzig im Torbereich sind zwei weitere - direkt auf das Tor ausgerichtete - Scharten eingeschnitten. Die artilleristische Verteidigung erfolgte mit ungeschützt auf den Wällen aufgestellten Kanonen, die über Bank feuerten. Diese offensichtlichen Mängel sind wohl Grund dafür, dass diese Bauform nur sehr selten Anwendung fand. - Mir ist tatsächlich nur ein weiteres derartiges Festungswerk bekannt: Das 1624 in der Region Pas-de-Calais erbaute Fort neuf du Mont-Hulin [3]. Die Anlage östlich des Ortes Desvres ist zwar geschleift, dennoch ist zumindest die Kontur einer Front mit der typischen Formgebung als Relief erhalten und in der Luftaufnahme gut erkennbar (GE: 50°39‘53“N - 1°51‘19“O). - Nach kurzer Visite der Hohltraversen und des Funkraumes endete die Erkundung der Wallanlagen mit Fotos vom Torbereich.

Zusätzliche Scharten im TorbereichDer anschließende Rundgang auf den Außenwerken des Forts führte vom Tor-Ravelin zum Wall der Seefront. Dort sind von der ursprünglichen Bebauung - einer langgestreckten Kaserne - nur noch Fragmente der Grundmauern erhalten. Die massiven Quaderwände der seeseitigen Abschlussmauer mit dem vorspringenden Redan, die den anrollenden Wellen nun schon fast 400 Jahre trotzen, wirken unerschütterlich.

Auch alle Mauerwerksbekleidungen der Bastionsfronten sind (nach der Renovierung?) in erstaunlich gutem Zustand.

Die Verwendung von gebrannten Ziegeln oberhalb des Kordonsteins stellt eine optische Aufwertung dar - und ist Beleg dafür - dass zur Zeit der Erbauung scheinbar auch Wert auf das äußere Erscheinungsbild eines Festungswerkes gelegt wurde. Die Zeit verging wie im Flug. Achtzehn Uhr - das Ende der Besuchszeit rückte näher. Die etwa zwölf Besucher, die mit mir an diesem Nachmittag die Anlage durchstreift hatten, waren längst gegangen. Ich wurde am Tor von der - immer noch freundlichen - Kassendame bereits erwartet. Mein Fazit: ein wirklich interessantes kleines Festungswerk, (möglicherweise ein Unikat?) das einen Besuch allemal rechtfertigt.

Und was gibt‘s sonst noch zu sehen?

Da ist vor allen Dingen Saint-Martin-de-Ré zu nennen. Der Hauptort der Insel gewann nach Errichtung des Arsenals in Rochefort (1666) an strategischer Bedeutung. 1681 genehmigte Vauban die Planungen Ferrys zur Errichtung einer bastionierten Stadtumwallung und einer starken Zitadelle. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass nahezu alle Anlagen und Gebäude, die bis zum Ende des XVII. Jahrhunderts gebaut wurden, bis heute erhalten sind. Allerdings werden etwa 20% der von den Bastionen umgeben Fläche vom französischen Staat für ein Gefängnis der Art „Maison Centrale“ beansprucht. (In diesen besonders gesicherten Anlagen sitzen Gefangene ein, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden und nur geringe Chancen auf erfolgreiche Resozialisierung haben.) Die Häftlinge sind in einem von hohen Mauern umgebenen Areal, gleich neben der Porte Toiras untergebracht - und, leider auch, in der angrenzenden Zitadelle. Das mächtige Bauwerk mit fast all seinen Außenwerken, den üblichen Einrichtungen wie Kasernen, Offiziersunterkünften, Magazinen und Arsenal, ist den Bedürfnissen des Strafvollzuges entsprechend umgebaut und deshalb nicht zugänglich. Fast alle anderen Befestigungswerke sind frei begehbar. Besucher, die die Enceinte des Orts auf der D 735 umfahren, bekommen von den Ravelins und Bastionsfronten allerdings nur den schmalen Mauerwerksstreifen oberhalb des Kordons zu Gesicht.

Erst wenn man über einen der neuzeitlichen Straßendämme in den Ort fährt, erhält man einen ersten Eindruck von der Mächtigkeit der Enceinte. (Die beiden Dämme, die dem erhöhten Verkehrsaufkommen geschuldet sind, stellen die einzigen Eingriffe in die historische Bausubstanz des Ensembles dar) Die besten Aussichten auf die beiden Haupttore, den Grabenbereich und die Mauerwerksfluchten der Kurtinen, Bastionen, Ravelins, die Contrescarpe und den gedeckten Weg, eröffnen sich von den Orillons der Bastionen. Die in Vaubans „Premiere systéme“ ausgeführten Befestigungen präsentieren sich in bester Erhaltung. Das Gras des unbebauten Glacis wird von zwei Herden der hochgewachsenen Poitou Esel kurzgehalten.

Die Enceinte von Saint-Martin-de-RéEtwa in der Mitte der seeseitigen Fronten ist die seinerzeit mittels einer massiven Kette sperrbare Zufahrt zum Hafenbecken angeordnet. (Die Gegend um den teilweise gezeitenabhängigen Hafen ist heute der bevorzugte touristische Treffpunkt und entsprechend stark frequentiert.) Die Wälle der Seefront wurden nach 1875 mit modernen Hin-terladergeschützen bestückt. Zwischen neu errichteten Hohltraversen kamen sieben 24 cm- und fünf 19 cm-Kanonen, sowie sechs 22 cm-Mörser zur Aufstellung. [2] Guterhaltene Traversen findet man hinter dem seeseitigen Mauerwerk westlich der Hafeneinfahrt und - wie im unverpixelten Teil des Google Luftbildes erkennbar - auf den seeseitigen Bastionen der Zitadelle. Die an die Wälle der Enceinte anschließende Zitadelle stellt den östlichen Eckpfeiler der Befestigungen von Saint-Martin-de-Ré dar. Hier ist nur eine Contregarde und das seeseitige Außenwerk - mit dem ins Meer vorspringenden Mauerwerk des geschützten Hafens - als Passage zum Ort, für Fußgänger und Radler freigegeben.

Zahlreiche eingeritzte Graffiti im Mauerwerk des Osttores weisen auf die im Laufe der Zeit dort stationierten Soldaten und Einheiten hin.

Die seeseitige Zitadellenfront

Die Nutzung der Zitadelle als Gefängnis begann bereits 1871: Zunächst als Transit-Ort für die Deportationen zu den „Bagnos“ in Neukaledonien. Zwischenzeitlich - von 1914 bis 1918 - als Lager für deutsche Kriegsgefangene und von 1898 bis 1938 als Sammelstelle für Sträflinge die zu langjährigen Strafen verurteilt waren, die sie in den berüchtigten Straflagern von Guyana verbüßen sollten. Die mächtigen, eisenbeschlagenen Flügel des Zitadellentors standen im September weit offen und ermöglichten so den Zutritt bis zu den modernen Stahltüren des Gefängnisses.

Historische Fotos zeigen mit Seesäcken bepackte Häft-lingskolonnen - von Soldaten mit umgehängten Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten eskortiert - auf dem Weg von diesem Tor bis zum Hafen. (Der letzte Teil des Weges dorthin heißt heute „Allée de la Guyane“.) Am „Quai Georges Clemenceau“ bestiegen die Männer dann Tenderboote für den Transfer zu hochseefähigen Schiffen, die nach der Übernahme der Sträflinge den Hafen von Saint Laurent du Maroni in Guyana ansteuerten. - An genau diesem Kai machen heute die Schiffe fest auf denen Tagestouristen zur Ile d´Aix übersetzen. Die Tour zu der Insel mit den zahlreichen Fortifikationen kann allen Festungs-freunden empfohlen werden; schon deshalb, weil auf der Passage dorthin zunächst das Fort Boyard angesteuert wird: Das wohl bekannteste Befestigungswerk der Region.

Fort BoyardBei der Umrundung des Forts per Schiff wird deutlich, dass die davor verankerte Offshore-Plattform und die Anbauten - die für die Produktion der bekannten TV-Spielshow benötigt werden - größtenteils an der Westseite des ovalen Baukörpers zu finden sind. Von Osten betrachtet präsentiert sich das mächtige Bauwerk nahezu wie zur Zeit seiner Fertigstellung 1857. Die Fundamente des schiffsbugartigen Vorbaus und Reste des Anlegers - am anderen Ende des Ovals - kommen nur bei Ebbe zum Vorschein.

Neben dem Fort selbst hat mich vor allem die Reaktion der - mehrheitlich französischen - Passagiere auf das Bauwerk überrascht. Als der Schiffsführer vor dem Fort die Fahrt drosselte, drängten alle die über ein Smartphon oder Fotoapparat verfügten an die Reling. Die daraufhin einsetzende „Knipserei“ stellte selbst die bekannten Fotoaktionen asiatischer Reisegruppen in den Schatten; soviel Interesse an einem militärischen Bauwerk war mir völlig neu!

Nachdem die Fahrgäste ihre Fotoapparate wieder eingepackt hatten nahm das Schiff Kurs auf die Ile d´Aix. Auf die Beschreibung der Befestigungen des Eilandes kann an dieser Stelle verzichtet werden. Alle Informationen finden sich bereits im ausführlichen Reisebericht von M. Oehlrich. (Am Wall 23)

Fort de la Rade - Ile d´AixBei unserem Besuch wurde indes schnell deutlich: Die von den Gezeiten bestimmte Aufenthaltsdauer auf der Insel würde kaum ausreichen, auch nur einen Teil der zahlreichen Forts und Batterien zu erkunden.

Idealerweise sollte man für eine Übernachtung ein Zimmer im „Hotel Napoleon“ beziehen - dann stünde reichlich Zeit für die umfassende Begehung aller Festungswerke zur Verfügung.

Kora und Karola

Während der deutschen Besatzungszeit entstanden ab 1942 zahlreiche Betonbauten am Küstensaum der Ile de Ré. Viele dieser Regelbauten und Sonderkonstruktionen für Widerstandsnester, Funkmesseinrichtungen, Flak-und Küstenbatterien mit den üblichen Nahverteidigungsanlagen und die für den Betrieb dieser Anlagen nötige Infrastruktur, sind noch erhalten. (Diese Hinterlassenschaften des Atlantikwalls entsprechend zu würdigen überlasse ich gerne Kennern der Materie.) Doch wenn man schon mal vor Ort ist, sollte man wenigstens ein Objekt dieser Bau-periode aufsuchen, zu dem M. Oehlrich schreibt: „Wer hier den Fotoapparat vergisst, der wird sich ärgern!“ Die Rede ist vom Feuerleitstand der Batterien Kora und Karola: Die strategische Position vor La Rochelle und dem U-Boot Stützpunkt von La Pallice war ausschlaggebend für die Aufstellung der schwersten Batterien des gesamten Küstenabschnitts auf der Ilé de Ré. Als Standort wählte man den bewaldeten Küstenabschnitt nordwestlich von Ars-en-Ré. Die Bauwerke der Batterien verteilten sich auf ein 35 ha großes Gelände, das durch Minenfelder gesichert war. - Bei meiner Ankunft am Wäldchen war ich überrascht; das Batterieareal ist immer noch als Militärgelände ausgewiesen! Dass die Verbotsschilder aber kaum Beachtung finden machte gerade eine französische Radlergruppe deutlich, die dabei war ihre Räder unter dem geschlossenen Schlagbaum durchzureichen. Das Gelände ist von Trampelpfaden durchzogen die wohl auch von den Gästen des nahen Campingplatzes als Abkürzung zum Strand genutzt werden. Die meisten Betonbauten die ich bei der Suche nach dem Turm zu Gesicht bekam waren stark von Buschwerk überwuchert; nur die guterhaltenen Bettungen für die 22 cm-Kanonen (Schneider M 1917) waren frei von Bewuchs - aber auch unspektakulär. Ganz anders der wenig später zwischen den Bäumen auszumachende Leitstand-Turm. Den von M. Oehlrich empfohlenen Fotoapparat hatte ich zwar dabei - aber leider keine Kettensäge: Anders als zur Zeit der Erbauung - als aufwendige Abspannungen mit Tarnnetzen nötig waren den Turm der Sicht zu entziehen - übernehmen heute die Kiefern des lichten Waldes, die jetzt ungewollte Aufgabe. Ein Foto aus der Entfernung war schlicht nicht möglich. Selbst im Nahbereich ragte ständig ein Baum oder Ast ins Bild; zudem hat man mit perspektivischen Verzeichnungen zu kämpfen, die eine „vorzeigbare“ Aufnahme erschweren.

Feuerleitstand der Batterien Kora & KarolaDas Bauwerk selbst beindruckt noch immer! Anders als Bunker in Strandnähe - die, unterspült, ihre Standfestigkeit verloren haben - steht der Turm, wohl auch wegen des großflächigen Unterbaues, immer noch lotrecht. Die beiden Sonderkonstruktionen für die Schiffstürme (Je 2 x 20,3 cm C/34) befinden sich weiter westlich, in Strandnähe. Die Begehung der mehrstöckigen Bunker verbot sich für mich aus Sicherheitsgründen: Gruppenreisende sind hier eindeutig im Vorteil!

Beliebtes Objekt der Sprayer-SzeneIch hoffe dieser Beitrag macht deutlich, dass es selbst in Gegenden die aus Sicht des Festungsfreundes hinlänglich erschlossen sind, immer noch Interessantes zu entdecken gibt. Für einen Besuch der Ile de Ré empfiehlt sich die Zeit nach der Betriebsamkeit der Französischen Sommerferien: Dann hält in den beschaulichen Ortschaften der Insel wieder die Gelassenheit Einzug, die den Aufenthalt dort so angenehm entspannend macht.

Quellen:

[1] Oehlrich, M: Ein kleiner Streifzug zu Befestigungsanlagen in der Charente-Maritime. Am Wall, Ausg. 21 bis 25
[2] Communauté de Communes de l´Ile de Ré: La Défense Militaire sur l´Ile de Ré. Juin 2016
[3] Desquesnes, Faille, Faucherre, Prost: Les fortifications du littoral - La Charente-Maritime. 1993

 
 



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